Mit dem Bericht zum Vernehmlassungsentwurf „Änderung des Bundesgerichtsgesetzes“ vom 4. November 2015 hat das EJPD (damalige Vorsteherin: Bundesrätin Sommaruga) eine Revision dieses Gesetzes eingeleitet.
Wie Art. 81 Abs. 1 Bst. b Ziff. 5 BGG geändert werden soll, findet sich auf Seite 18 dieses Berichts: „In Absatz 1 wird Buchstabe b Ziffer 5 so geändert, dass die Privatklägerschaft, wenn sie nicht gleichzeitig Opfer im Sinne des OHG ist, nur noch gegen Entscheide Beschwerde führen kann, in denen ihre Straf- oder Zivilklage materiell beurteilt worden ist. Zur Beschwerde gegen Prozessurteile und gegen Entscheide über die Einstellung des Verfahrens werden diese Privatkläger und Privatklägerinnen nicht mehr berechtigt sein.“
Begründung: „Damit die heutige Fehlbelastung des Bundesgerichts korrigiert wird und die (teilweise) Neuregelung des Zugangs zum Bundesgericht nicht zu einer Mehrbelastung des Bundesgerichts führt, braucht es eine Entlastung bei – aus Sicht der Rechtseinheit – weniger bedeutenden Fällen, namentlich bei Bagatellfällen und bei Fällen, in denen erfahrungsgemäss meistens bloss (unzulässige) Sachverhaltsrügen vorgebracht werden.“
Dies würde bedeuten, dass «Einfache Geschädigte“ in vielen Fällen – vom EJPD Bagatellfälle genannt – zur Beschwerde ans Bundesgericht nicht mehr berechtigt wären – im Gegensatz zu den Beschuldigten, die nach wie vor immer berechtigt sind.
Am 15. Juni 2018 hat der Bundesrat nun seine Botschaft zur Änderung des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) verabschiedet. Den Bedenken verschiedener Vernehmlassungsteilnehmer hat er keinerlei Rechnung getragen: «In Absatz 1 wird Buchstabe b Ziffer 5 so geändert, dass die Privatklägerschaft, wenn sie nicht gleichzeitig Opfer im Sinne des OHG ist, nur noch gegen Entscheide Beschwerde führen kann, in denen ihre Straf- oder Zivilklage in der Sache beurteilt worden ist. Zur Beschwerde gegen Prozessurteile und gegen Entscheide über die Nichtanhandnahme oder Einstellung des Verfahrens werden diese Privatkläger und Privatklägerinnen nicht mehr berechtigt sein. Diese Änderung entlastet das Bundesgericht von einer grösseren Zahl von Beschwerden mit geringer Erfolgsquote (vgl. Ziff.1.2.3).»
Der Änderungsvorschlag lautet:
«Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
b. ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
5. die Privatklägerschaft, wenn im angefochtenen Entscheid ihre Straf- oder Zivilklage in der Sache beurteilt worden ist oder sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche als Opfer auswirken kann.»
Implizit wird damit – entgegen dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers – ausgedrückt, dass eine Privatklägerschaft kein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, wenn es sich bei diesem Entscheid um eine Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft handelt. Damit wird die schon übermässig grosse Macht der Staatsanwaltschaften noch grösser: «Staatsanwälte fällen inzwischen 98 Prozent aller Strafurteile, ohne dass ein Gericht aktiv wird. Sie haben immer mehr Kompetenzen und lassen sich immer schlechter kontrollieren» (Beobachter: «Deals statt Urteile»).
Am 5. März 2020 hat der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren die Änderung des Bundesgerichtsgesetzes (Geschäft 18.051) liquidiert. Vorläufig bleibt daher der Wortlaut von Art. 81 Abs. 1 Bst. b Ziff. 5 BGG erhalten.